Berichte
 

 

From coast to coast: Quer durch die schottischen Highlands II

 

 

Mit dem Seekajak vom Atlantik zur Nordsee

Es ist Herbst. Die Laubbäume verfärben sich. Schafe blöken auf feuchten Wiesen. Wildgänse formieren sich zu ihrem Flug in südlichere Gefilde. Und in der Dämmerung röhren brünftig die Hirsche an den heidekrautüberzogenen Berghängen. Ein frischer Wind schiebt tiefliegende Wolken gen Osten. Immer wieder ergießen sich kalte Schauer über die wenigen Paddler, die sich in ihren bunten Kajaks, dick in Regenkleidung verpackt, durch das Great Glen Richtung Nordsee kämpfen.

Es ist ein kalter, grauer Herbst.

Doch manchmal, wenn die Sonne für wenige Minuten durch die Wolkenmassen dringt, verändert sich die Szenerie schlagartig. Dann entsteht ein unvergessliches Farben- und Lichtspiel, dann sprühen die Seeen tausend Funken vor schwarzem Gewölk, dann strahlt das rotbraune Heidekraut auf den 800 m hohen Hängen der Highlands, dann leuchten die Wälder in sattem Grün, stechen Strahlen durch auffliegende Nebelschwaden, spannen sich Regenbögen von Ufer zu Ufer der tiefen Seen. Das sind die unvergesslichen Momente, in denen man Kälte und Nässe vergisst: Herbst in Schottland.

Hier also wollen wir unsere Idee verwirklichen: in 7 – 8 Paddeltagen rund 150 km vom Atlantik zur Nordsee paddeln, von einem Meer zum anderen, aus eigenem Antrieb, die schottischen Highlands mit dem Paddelboot durchdringen von Südwest nach Nordost. Wie werden sich Tide, Wind, das wechselhafte Wetter auswirken ?

Rückenwind und Regenschauer

Wir starten in dem kleinen Küstenort Port Appin, 35 km südwestlich von Fort William. Hier legt die kleine Fähre zur Insel Lismore ab. Es ist trocken und warm. Wind aus West. Und bis wir unsere Boote gepackt haben, ist auch schon Tidenwechsel, d.h. wir beginnen mit doppeltem Vorschub (ca. 2 – 3 km/h). Durch den kleinen Bootshafen und dann vorbei an flacher Küste nach „Castle Stalker“. Das Jagdschloss liegt auf einer kleinen Insel, die bei Ebbe fast trockenen Fußes erreichbar ist. Drei Stockwerke hoch blickt die gut erhaltene Ruine in den Sound of Shuna und nördlich auf die Highlands. Bei auffrischendem Wind schaukeln wir in flotter Fahrt ostwärts. So lange die höher werdenden Wellen von hinten kommen, ist alles o.k.. Doch die Landnase bei Duror müssten wir nordwestlich umfahren. Quer zu den Wellen zu paddeln ist zu gefährlich, die Dünung würde unsere kleinen Boote umwerfen. Kreuzen wäre mit einer kritischen Richtungsänderung und hohem Kraftaufwand verbunden. Also erst mal anlanden und beraten. Doch jetzt brechen sich die Wellen im seichten Wasser und bringen zwei Boote, die nicht ganz auf Wellenlinie liegen zum Kentern. Zwei Paddler patschnass, der Wind lässt sie trotz Neopren und Paddeljacke schnell frieren. Damit ist die Frage der Weiterfahrt beantwortet, doch gerade hier ist Zelten ausdrücklich verboten. Also suchen wir zwischen angrenzenden Schafweiden einen einigermaßen windstillen Lagerplatz an dieser windgepeitschten Küste. Als die Zelte aufgebaut und die Boote gesichert sind, wird gekocht und ein Lagerfeuer vorbereitet.

Am nächsten Morgen hat der Wind noch mal zugelegt. Schaumkronen tanzen auf den Wellen und es beginnt zu regnen. Da wir kein Tarp aufgespannt haben, bedeutet dies: „Frühstück auf dem Zimmer.“ Während ein Teil der Gruppe die Fahrzeuge umsetzt, paddeln wir zunächst mit aller Kraft gegen Wind und Wellen, um an der Landspitze in Windrichtung einzuschwenken. Die hohe Dünung schiebt unsere schmalen Kajaks unentwegt

auf Wellenkämme hinauf und lässt sie in die Wellentäler abtauchen. Oben verlieren die Steuer den Kontakt zum Wasser und halten die Richtung nicht mehr, unten geht der Blickkontakt verloren und jeder kämpft für sich allein. Höchste Konzentration ist gefragt, um nicht quer zu den Wellen zu kommen oder zu nahe Richtung Ufer. Denn dort warten nicht nur die Klippen, sondern auch eine heftig brodelnde Suppe aus Strömung und zurückgeworfenen Wellen. Schön wäre jetzt ein stärkender Müsliriegel, doch wir verkneifen uns, die Hand vom Paddelschaft zu nehmen....

Fortsetzung