Berichte
 

From coast to coast: Quer durch die schottischen Highlands II

 

Mit dem Seekajak vom Atlantik zur Nordsee

Was bisher geschah:

Unsere tapferen Paddler nähern sich am 2. Paddeltag auf einem Fjordarm des Atlantiks dem Tor zum „Großen Tal“: Fort William. Die kleine Stadt liegt im Schatten von „Ben Nevis“, „Britain’s highest mountain“.

Nach einigen Meilen gelangen wir in den Windschatten des „Beinn a Bheithir“ und gegen Mittag beruhigen sich Wind und Regen, so dass wir die Engstelle am Ausgang des Loch Leven pünktlich zum Tidenwechsel queren können. Seerobben strecken neugierig ihre schmalen Köpfe aus dem Wasser. Doch bevor wir den Fotoapparat zücken können, sind die seals längst wieder abgetaucht, um 100 Meter entfernt erneut die ungewohnten Wasserfahrzeuge zu beäugen.

Mittlerweile sitzen wir 5 Stunden ohne Unterbrechung im Boot. Unsere Hoffnung auf einen heißen Kaffee an einer Imbissbude am Anleger der „Corran Ferry“ zerschlägt sich jäh. Keine Bude weit und breit, nur eine Bar. Da wir daran zweifeln, dass die Besitzer uns triefnasse Neonprenmenschen gerne in den Polstersesseln vor dem Kamin sitzen sehen möchten, gibt es 30 Minuten später im Windschutz muschel- und allgenüberzogener Klippen Vollkornbrot und eine Dose Wurst zu eiskaltem Wasser aus der Flasche.

Mit mittlerem Wind und einlaufendem Atlantikwasser geht es auf dem Loch Linnhe Richtung Fort William. Dank zunehmender Tidenströmung schaffen wir die letzten 3 Meilen bis zum Campingplatz nördlich Corpach noch vor der Dunkelheit. Nach 36 Kilometern ergibt sich wie von selbst eine klare Reihenfolge der Wünsche: heiß Duschen – viel Essen – lange Schlafen ...

Das Große Tal – The Great Glen

Geografisch gliedert sich Schottland in die Southern Uplands im Süden, die Mittel- und Hochgebirge der Highlands und die dazwischenliegende Senke der Central Lowlands. Die Highland Boundary Fault-Bruchlinie durchzieht Schottland diagonal und ist als das Große Tal bekannt. In diesem verbindet der Caladonian Canal über 97 km Länge die Westküste mit der Ostküste. Er gilt als einer der schönsten Wasserwege Europas. In Fort William knüpft er im Firth of Lorne an den Atlantik an und verbindet dann wie an einer Perlenkette Loch Linnhe, Loch Lochy, Loch Oich und den berühmten Loch Ness mit dem Moray Firth, dem Zugang der Stadt Inverness zur Nordsee. Parallel zum Kanal verlaufen als kurze

Verbindungsstücke die Flüsse Oich und Ness, die beide aber mit Seekajaks nur bei Hochwasser fahrbar sind, mit Wildwasserkajaks sicher auch bei niedrigem Wasserstand.

Um den Handels- und Fischereischiffen den umständlichen und gefährlichen Weg über die Nordspitze Schottlands zu ersparen, wurde der Kanal von 1803 bis 1822 vom schottischen Architekten Thomas Telford gebaut. Allerdings verlor er seine wirtschaftliche Bedeutung

sehr schnell durch wachsende Schiffsgrößen, da diese nicht mehr durch die Schleusen passten. Heute befahren nur noch wenige Frachtschiffe den Kanal durch das Great Glen. Er dient hauptsächlich der Erholung und dem Tourismus, wobei damit hauptsächlich Segel- und Hausboote gemeint sind. Letztere kann man sich wochenweise mieten und damit durch die abwechslungsreiche Landschaft tuckern. Im Sommer eignet sich die Gegend gut für Wandertouren und zum Radeln.

For safty reasons

Um die Höhenunterschiede zwischen den Lochs und zu den Meeren zu überwinden, wurden 29 Schleusen gebaut und zahlreiche Drehbrücken für den querenden Straßenverkehr installiert. Die Schleusenstationen zeigen sich bestens herausgeputzt, allerdings nützt dies Paddlern wenig: „for safty reasons“ bleiben die Tore geschlossen. Ob die Andeutung eines Schleusenwärters, dass sich dies 2009 ändern könnte, nur unserer Beruhigung diente, bleibt abzuwarten. Für uns bedeuten die Sicherheitsbedenken zehn Umtragungen (400 – 1500 Meter) und die Mitnahme von Bootswagen.

Neptuns Staircase

Die Schleusentreppe des Meeresgottes überwindet vom Fjord Lorne über 8 Stufen auf einer Länge von 1,5 km 20 Höhenmeter. Der Kanal ab Banavie ist beidseitig dicht bewachsen und damit herrlich windgeschützt. Immer wieder wird der Blick auf die Berge frei gegeben und wir kommen gut voran. Eine architektonische Besonderheit ist ein Aquaedukt, über welchen der Kanal den River Loy in 10 Metern Höhe überquert.

Wer erwartet hat, in Garlochy, dem Übergang in den Loch Lochy einen Ort vorzufinden, ist enttäuscht. Eine Schleusenstation, eine Drehbrücke und wenige kleine Häuschen ducken sich hier in die Landschaft.

Sehr spät finden wir heute am Westufer des Loch Lochy einen halbwegs geeigneten Übernachtungsplatz. Mit Spaten und Paddeln schaufeln wir den Kies in Reichweite des Ufers zu einigermaßen ebenen Flächen zusammen, auf denen wir im letzten Licht schnell die Zelte aufspannen. Nein, hier kann es keine Tide geben, die das Wasser um einen Meter ansteigen lässt. Aber was bewirkt der Regen, der nachts auf die Zelte prasselt und über Zuflüsse einfliesst ? Und welche Auswirkungen hat der Wind, der jetzt die Wellen Richtung Zelte drückt ? Die Stirnlampe zeigt um zwei Uhr morgens jedenfalls ein bedrohliches Bild, das mir den Schlaf raubt.

Umsonst, wie sich in der Morgendämmerung zeigt. Doch zum „Nachschlafen“ bleibt keine Zeit. Bei starkem Regen und kaltem Rückenwind paddeln wir zu den „Laggan Locks“ und nach dem Umsetzen durch den herrlichen Loch Oich. Mit seinen uralten Wäldern voll knorriger Weiden und seinen zahlreichen Inseln wirkt der See wie ein verwunschenes Labyrinth. Nebel und tief dahinfliegende Wolken verstärken den mystischen Eindruck.

 

Werden unsere Helden trotz mancher Hindernisse ihr Ziel doch noch erreichen? Werden Kraft und Proviant ausreichen? Fortsetzung folgt