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Ostern am Alpsee
Der Große Alpsee bei Immenstadt heißt nicht nur so, er ist auch tatsächlich richtig groß!
Meint zumindest die Alpsee-Grünten Tourismus GmbH auf ihrer Homepage.
Nun ja, dreißig Kilometer weiter westlich bei Lindau gibt es einen
anderen See, der meiner Erinnerung nach doch noch eine Spur größer ist.
Aber egal. Auf die Größe kommt es schließlich nicht immer an. Die
Bergkulisse beidseits des tiefblauen Sees im Konstanzer Tal ist
jedenfalls imposant und mystisch. Kein Wunder, dass sich um den See
eine ganze Reihe von Sagen ranken. Wie beispielsweise die von der
versunkenen Stadt. Wo sich heute der 2,5 Quadratkilometer große Alpsee
ausbreitet, soll einstmals eine paradiesische Talaue mit einer großen
Stadt gewesen sein. Die Fruchtbarkeit der schönen Ebene und der ganzen
Gegend war so groß, dass ihre Bewohner unermesslich reich und hochmütig
wurden. Bald schon wussten sie nicht mehr, was sie mit dem Übermaß an
Milch, Butter und Käse anfangen sollten. Als sie schließlich in ihrem
Übermut ihre Kellerstiegen mit Käselaiben aufbauten, ereilte sie für
ihr gottloses und verschwenderisches Tun das Strafgericht, die
prächtige Stadt versank in die Tiefe, und an ihrer Stelle entstand der
See.
Diese alte Sage kommt mir in den Sinn, während wir am Ostermontag für
die erste Paddeltour des Jahres am westlichen Seeende unsere Kajaks
abladen. Durch ein glücklicherweise offenstehendes Tor schleppen wir
die Boote zum Ufer. Die Pforte ist massiv, aber aus Metallrohren
errichtet. Kein Relikt der versunkenen Stadt also, sondern der Zugang
zum Freibad, welcher zurzeit noch kostenlos ist. Kein Wunder
allerdings, denn die Eisschicht an der Seeoberfläche dürfte sich erst
kürzlich in die flüssige Form zurückverwandelt haben. Das Wasser ist
jedenfalls saukalt, und ich werde garantiert vorsichtig paddeln, um
nicht ein unfreiwilliges Bad zu nehmen. Die Hasen dagegen sind
natürlich wieder übermütig. Mit Sorge beobachte ich, dass ihr Zweier
schon gleich nach dem Start bedenklich in Schräglage gerät.
Ach ja, ich merke gerade, dass ich die Hasen noch erklären muss.
Hamsamsam und seine Familie. Mit dem Hasen-Papa auf meiner Bootsspitze
hat es vor vielen Jahren bei einer Osterpaddeltour begonnen. Bei der
nächsten Ausfahrt kam eine Häsin dazu, und seither wird die Familie
jedes Jahr um ein weiteres Schlappohrenpaar größer. Hasen eben. Deshalb
ging inzwischen der Platz auf meinem Boot aus, und seither lässt sich
die Bande in einem eigenen Kajak hinterherziehen. Das ist unser Preis
dafür, an Ostern bevorzugt mit Eiern versorgt zu werden.
Der Wind weht mäßig stark aus östlicher Richtung, was das Vorankommen
in Richtung Immenstadt erschwert. Dafür werden wir auf dem Rückweg
Unterstützung bekommen. Bestimmt fast wie e-paddeln. Die Wellen werden
höher und der überladene Zweier bekommt Schlagseite. Nicht der von
Peter und Sabine, sondern der mit der Hasenfamilie. Bevor wir Menschen
helfend eingreifen können, schwimmen die ersten Hasenkinder im
eiskalten Wasser. So hat es keinen Sinn. Der Hasen-Papa ist ein
lausiger Steuermann. Wir verteilen die mitleiderregend triefend nassen
Tiere auf unsere Kajaks und schleppen den havarierten Zweier ans flache
Ufer.
Im kleinen Hafen am westlichen Seeende bietet sich die Gelegenheit zu
einer Stärkung. Aber für einen Eisbecher ist es noch zu kalt, und die
Kässpätzle werden Gerüchten zufolge von einem Berliner gekocht. Für
mich ein klarer Fall von kultureller Aneignung. Außerdem drängen sich
die Touristen in dieser Ecke. Deshalb paddeln wir weiter bis zur
Liegewiese am Nordufer, denn wir haben doch unser eigenes Vesper dabei.
Osterhasen-Eier. Die Sonne ist allerdings trügerisch. Ohne die Bewegung
kriecht die Kälte rasch unter die feuchte Paddelkleidung und wir
beeilen uns, wieder aufs Wasser zu kommen. Inzwischen hat der Wind
weiter aufgefrischt und es bilden sich schon kleine Schaumkronen. Blöd.
Noch blöder allerdings ist, dass der Wind inzwischen beschlossen hat,
aus der entgegengesetzten Richtung zu wehen. Also haben wir auch für
die nächsten vier Kilometern wieder Gegenwind. Murphys Gesetz eben,
oder wie Hamsamsam sagen würde: Die schönsten Möhren schmecken immer
seifig.
Text: Hans Compter
Fotos: Anni Mai-Compter
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