Berichte
 

Tatsächlich passiert - ein Kanu-Veteran erinnert sich

 

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Kurioses, Abenteuerliches und Witziges aus drei Jahrzehnten

Bisweilen gehe ich auch mit anderen zum Paddeln. Ich muss dies betonen, weil es sich bei den beteiligten Personen nicht um Mitglieder unserer Kanuabteilung handelt.
Es war ein glühend heißer Sommertag an der Tiroler Ache. Die Tiroler Ache ist nur leichtes Wildwasser, erfordert also keine erhöhte Konzentration. Wir hatten deshalb Zeit, uns nebenbei über andere Dinge zu unterhalten. Das Gespräch kam auch auf Filme, und irgendwann musste ich passen, denn die mich begleitenden Paddler hatten offenbar einen anderen Geschmack als ich. Lautstark, um das Rauschen des Wassers zu übertönen, zitierte der eine aus einem kürzlich gesehenen Film. Der Text war auf Englisch und bestand aus einer Aufforderung "Show me your t...!“, wobei mit Letzterem, nicht ausgeschriebenen, Wort ein weibliches Körperteil gemeint ist. Genau in diesem Augenblick machte der Fluss einen Knick und hinter dieser lag, sich hüllenlos sonnend, eine blonde Schönheit. Diese bezog die Aufforderung auf sich. Seither ist der Paddelkamerad um zwei Erkenntnisse reicher: Frauen neigen dazu, uns Männer misszuverstehen und Paddlerhelme helfen auch gegen geworfene Steine.

Hans Compter

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Kurioses, Abenteuerliches und Witziges aus drei Jahrzehnten

Es war der 17. September 2001, also genau eine Woche nach den schrecklichen Terroranschlägen in New York. Die Welt und insbesondere Amerika waren - verständlicherweise - aufgeregt und übernervös.
Wir waren auf einer Seekajaktour an der Nordspitze Sardiniens und hatten von den Weltereignissen nichts mitbekommen. An diesem Tag baute ein kräftiger Wind heftige Wellen auf, die inzwischen weiße Schaumkronen aufgesetzt hatten. Grund genug für uns, die ursprüngliche Paddelrichtung etwas zu korrigieren und den Windschutz einer Insel anzusteuern. Die neue Route war auch deshalb attraktiv, weil sich auf der Insel eine große Hotelanlage abzeichnete, welche Gedanken an einen Cappuccino aufkommen ließ. Allerdings veränderte sich im Näherkommen der Eindruck und aus dem Hotel wurde nach unserer Ansicht zunächst ein Gefängniskomplex und schließlich ein militärisches Kasernengelände. Zeitgleich mit letzter Erkenntnis erhielten wir die Bestätigung in Form eines Patrouillenboots mit einem Soldaten und einer auf uns gerichteten Maschinenpistole auf dem Vordeck. Da aber offenbar ein bewaffnetes Boot nicht ausreicht, um zwei potentielle Terroristen in Seekajaks abzuwehren, wurde die verteidigende Flotte um weitere drei Schiffe verstärkt. Mit Schrecken sahen wir einer Verhaftung und Befragung in einem Militärgefängnis entgegen, auch wenn damals Guantanamo noch unbekannt war. Das Schicksal blieb uns erspart, vielleicht auch deshalb, weil ein Aufsammeln von uns kleinen Kajakern in den meterhohen Wellen gar nicht so einfach gewesen wäre. Die Flotte beschränkte sich deshalb darauf, uns weit nach draußen aufs offene Meer mit noch höheren Wellen, außerhalb des Sperrbezirks zu eskortieren.
Inzwischen wissen wir, dass wir in eine Marinebasis der NATO eindringen wollten. Und seither schaue ich mir Hotelanlagen vom Wasser aus ganz besonders genau und nur noch aus sicherer Entfernung an.

Hans Compter

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Kurioses, Abenteuerliches und Witziges aus drei Jahrzehnten

Männer lieben technische Spielzeuge. Damit können sie sich stundenlang beschäftigen. Insbesondere wenn sie neu und unnötig sind. Die alte Waschmaschine im Keller fällt deshalb nicht in diese Kategorie. Aber darum geht es gar nicht.

Es war auf einer Seekajaktour auf Sardinien. Nach mehreren herrlichen Tagen mit azurblauem Himmel und spiegelglattem Meer zogen immer mehr Cirruswolken auf. Ein Wetterumschwung deutete sich an, über den wir alle betrübt waren. Alle? Nein nicht alle, ein Kamerad  - wir wollen ihn mal Gregor nennen, auch wenn er nicht so heißt, aber der Autor dieser Zeilen möchte dessen Anonymität wahren – konnte das Tiefdruckgebiet kaum erwarten, was für einen Paddler ungewöhnlich ist. Am nächsten Tag zog tatsächlich ein heftiger Sturm auf. Das Meer kochte, Brecher schlugen über die Hafenmole und der Wind pfiff uns um die Ohren. An eine Fortsetzung der Tour war nicht zu denken. Wir saßen fest in einem kleinen Fischerort an der Ostküste und starrten missmutig und gelangweilt auf das Inferno jenseits der Hafenmauer. Wir alle? Nein. Freund Gregor war nicht mehr zu bremsen. Endlich konnte er sein neuestes Spielzeug, einen Windmesser, anwenden. Dieses zigarettenschachtelgroße Gerät wird in den Wind gehalten und misst dessen Geschwindigkeit. Was natürlich völlig unnötig ist, denn auch ohne die Daten dieses Schnickschnacks war klar, dass an Paddeln nicht zu denken war.

Physiklehrer und Literaturquellenfetischisten lesen hier weiter, alle anderen können diesen Absatz überspringen. Windgeschwindigkeiten werden gemessen in Beaufort (Bft). Die Skala ist nach Sir Francis Beaufort benannt worden, einem Hydrografen der britischen Admiralität. Der Wert berechnet sich nach der Formel:
B = \left(\frac {v}{0{,}8360 \mathrm{~m/s}} \right)^{2/3}

Jedenfalls zeigte dieses Gerät erstmalig in diesem Urlaub, und – da neu erworben – erstmalig in Gregors Händen, eine andere Zahl als Null. Wir anderen wurden umgehend über den jeweils neuesten Rekordwert informiert. Von Windstärke 3 in den Gässchen des kleinen Dorfs über 4 Bft auf dem Kirchplatz bis 5 Bft im Hafen kletterten die Spitzenwerte. Dann allerdings stagnierte die Rekordjagd. Während wir anderen uns schließlich in eine Bar verzogen, ging Gregor mit seiner Frau, die wir aus Datenschutzgründen Mona nennen wollen, weiter auf die Jagd.

Gesprochene Worte können bisweilen missverständlich sein. Gregor und Mona waren tatsächlich erfolgreich. Kurze Zeit später standen sie mit geröteten Gesichtern und zerzausten Haaren wieder in der Bar. Stolz berichteten sie, sie seien hinter der Hafenmauer gewesen und hätten dort kurz 6 gehabt. Dass dieser gesprochene Satz in Verbindung mit ihrem aktuellen Aussehen äußerst zweideutig war, merkten die beiden rasch an unserer eindeutigen Reaktion. Seither ist die Frage nach 6 hinter der Hafenmauer ein running gag bei uns Seekajakern.
                                                                      
                                                                                              Hans-Joachim Compter