Berichte
 

When the nights are shining like the days Teil 4

 

Ein Mittsommernachts-Paddel-Abenteuer im Land der 1000 Seen. Teil 4

8. Tag: Karibikfeeling
Nach einstündigen Film- und Fotoaufnahmen paddeln wir 6 Kilometer südwärts zum betreuten Übernachtungsplatz der Insel Linnansaari. Hier ist schon deutlich mehr los. Ein halbes Dutzend Boote hat angelegt und an der Feuerstelle tummeln sich eine Wandergruppe und zwei Familien. Die Ursache ist sicherlich nicht allein der Kiosk, der Eis, Getränke und Andenken anbietet, sondern der alte Hof, der besichtigt und die naturgeschützte Insel, die erwandert werden kann. Ab 1850 hat die Familie Oskari unter harten Bedingungen dieses Eiland bewirtschaftet. Folge des Schwendbaus (Befreien von potentiellem Ackerland ohne das Wurzelwerk zu entfernen)  ist heute eine große Vielfalt an jungen Bäumen. Als Linansaari zum Nationalpark wurde, hat man sich um den Erhalt des sehenswerten Anwesens bemüht und das „Schwenden“ nach traditionellen Methoden wieder aufgenommen.
Nachmittags geht es über weite Seenflächen. Zunächst bis zum schönen mückenfreien Rastplatz „Iso-Tuunas“, wo wir uns zwei Badegänge, viel Sonne und ein Vesper gönnen. Dass wir uns Savonlinna nähern wird jetzt spürbar: ein großer Frachter kreuzt unseren Weg, aus der Ferne sehen wir Segler und Yachten, die die tiefere Wasserstrasse befahren.
Wir haben Wind von schräg vorne und müssen ordentlich reinlangen. Von hinten brennt die Sonne, von vorne kühlt jetzt die aufspritzende Gischt.
Den Lagerplatz auf „Hietasaari“ mit Kiefern und Sandstrand, gut durchlüftet und dadurch mückenfrei, teilen wir mit einem freundlichen, aber wortkargen finnischen Paar, dessen Motorboot vor Anker liegt. Das Toilettenhäuschen Huussi müssen wir mit einer Gans teilen: sie hat es sich im Kompostbehälter zum Brüten gemütlich gemacht und faucht fürchterlich wenn wir „zu Besuch“ kommen: das beschleunigt manches „G’schäft“ ganz erheblich.
Bei Sonnenuntergang schläft der Wind ein, das Meer liegt ruhig und silbern, spiegelt die weichen Farben der Dämmerung und lässt Karibikfeeling aufkommen.

9.Tag: Ins "Bayreuth des Nordens"
Nun sind es noch gut 20 km bis Savonlinna. Aus der Zeitung, die uns unsere Zeltnachbarn hinterlassen haben, erfahren wir, dass ganz Finnland unter der Hitze stöhnt: Wieder soll es 28 Grad warm werden, beim Ablegen haben wir bereits 24 Grad erreicht. Der See liegt spiegelblank, der Wind kühlt kaum noch. Wir bepacken ein letztes Mal die Boote und baden vor dem Einsteigen den ersten Schweiß des Tages vom Körper. 
Nach Süden queren wir weite Wasserflächen, machen lange Badepausen und sind doch unvorbereitet als uns in der Einfahrt von Savonlinna der Zivilisationsschock ereilt: Boote aller Art lärmen und stinken uns voll – es ist Rushhour im wohl beliebtesten Ferienzentrum Finnlands. Nach Tagen der Ruhe begegnen wir erstmals wieder Strassen und Autos, vielen Menschen, die sich überall am Wasser tummeln, Ausflugsschiffen und Angebern, die die Motoren ihrer Wasserscooter "just for fun" dröhnen lassen.

Wir paddeln die sieben Kilometer zum Ort und durch die kleine Innenstadt. Vorbei an der Promenade, unter der Hauptstrasse hindurch und entlang der unvermeidlichen Robbenskulptur und einem Springbrunnen. Ein schmaler Kanal führt um das Zentrum herum zur Strassen- und Eisenbahnbrücke. Und dann kommt die Burg Olavinlinna von Norden, ihrer Schokoladenseite, ins Blickfeld: eine imposante Trutzburg mit drei Türmen. Wir umpaddeln die am besten erhaltene mittelalterliche Burg Finnlands und landen am Museum auf der Halbinsel Riihisaari an. Da die Burg den Zugang in den nächsten See schmälert, wird das Gefälle dazwischen komprimiert und eine deutliche Strömung erzeugt. Entgegenkommende Touristenschiffe fahren hier mit voller Kraft „flussaufwärts“ und schlingern teilweise ganz ordentlich. Beim Umfahren ist deshalb Vorsicht angesagt.

10. Tag: "Hier ist’s so heiß und voll – ich will sofort nach Grönland!"
Natürlich wollen wir die Festung aus dem Jahre 1475 auch von innen sehen. Sie wurde als Verteidigungsanlage gegen das russische Reich errichtet. Im Schutz der Burg entstand die Ortschaft Savonnlinna, die 1639 die Stadtrechte erhielt. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Burg oft zum Schauplatz russisch-schwedischer Auseinandersetzungen. Heute ist sie im Sommer Schauplatz international berühmter Opernfestspiele. Abends flanieren hunderte festlich gekleideter Gäste über den langen Steg zur Burg und einem Konzert, das sie bereits vor Jahresfrist buchen mussten.
Die Innenstadt lädt mit dem kleinen Hafen, dem Markt und dem Dom zum Bummeln ein. In den Holzhäusern, die Anfang des vorletzten Jahrhunderts entstanden sind, stößt man auf viele kleine Läden und gemütliche Cafes. Deren Erfrischungen sind dringend notwendig: es herrscht jetzt völlige Windstille und die Luft ist drückend-schwül.
Die vielen Menschen in der Stadt und auf dem Campingplatz, der Lärm und die Hitze: Finnland war schön, aber für den nächsten Paddelurlaub muss es mindestens Grönland sein, bevor auch dort der Klimawandel zuschlägt. 
           
Text: Frank Raumel
Fotos: Anni Mai-Compter