Berichte
 

When the nights are shining like the days Teil 2

 

Ein Mittsommernachts-Paddel-Abenteuer im Land der 1000 Seen.
2. Tag: Familiengeheimnisse und zivilisierte Stechmücken
Heute kommen wir früher los. Die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel. Jetzt hat jeder Packsack seinen festen Platz in einer der beiden Gepäckluken, hinter dem Sitz oder an Deck gefunden. Wir paddeln parallel zur Schifffahrtsroute an vielen Inseln vorbei. Viele davon sind mit einem „Möki“ besetzt, dem Sommerhaus der Finnen.
Ein ordentliches Möki hat neben dem Haupthaus eine Sauna, ein Toilettenhäuschen, eine Doppelschaukel, einen Badesteg und neuerdings eine kleine Solaranlage. Wenn man der Literatur glaubt, werden die Zufahrten zu den Mökis wie ein Familiengeheimnis gehütet. Dafür spricht auch, dass alle Mökis schön versteckt hinter Bäumen liegen und aus der Ferne kaum zu erkennen sind.


Bei der Insel Pouhansaari geht es nach ausgedehnter Badepause zurück auf die ausgeschilderte  Route. Auf dem Varisvesi, der bis zu 1000 Meter breit wird, begegnet uns das erste Ausflugsschiff.  Wir paddeln jetzt auf der sogenannten Heinävesi-Route, die „schon vor gut hundert Jahren in der finnischen Reiseliteratur als eines der hervorragenden Freizeitziele für Paddler und Angler empfohlen wurde. Heute zählt diese historische Wasserstraße mit den engen Wasserwegen, wunderschönen Seen und den alten Kanälen zu den finnischen Nationallandschaften. Die sechs historischen Kanäle, die in den Jahren 1895 – 1915 gebaut wurden, um neue Schiffstransportwege zu den Regionen nördlich des Saimaa-Gewässers zu erschließen, erlauben das sichere Umgehen der Stromschnellen. Doch wer will das schon? Zwei Mutige wagen sich nach eingehender Besichtigung durch die schäumenden Wellen, gehen das Risiko ein, mit den gekielten Booten aufzusitzen oder quer zu den Wellen zu kommen, vor finnischem Anglerpublikum baden zu gehen und das Gepäck einzeln aus dem See fischen zu müssen. Doch sie haben sich nicht verschätzt: die Seitenströmung drückt die Boote stark nach links, Gischt spritzt in die Gesichter, doch die Boote finden sicher den Weg durch die 2er-Stelle. Etwas langsamer funktioniert die Schleuserei: warten, einfahren, warten, ausfahren.
Gleich nach der Schleuse kommt der Campingplatz von Karvio, dem kleinen Ortsteil der Gemeinde Heinävesi (4.300 Einwohner) am See Kermajärvi und an der B 23. Der Komfort einer Dusche, einer Pizza und eines Gerstensaftes wird allerdings durch unzählige Mücken zunichte gemacht: wie schön war es doch fernab der Zivilisation.
 
3. Tag: Auf der Heinävesi-Route
Unweit des Campingplatzes in Karvio füllen wir im Supermarkt unseren Proviant mit frischen Zutaten auf. Mittags geht es aufs Wasser. Hier am Badestrand lassen sich die Boote gut beladen. Zunächst folgen wir der Wasserstrasse, die von grünen und roten Pfosten begrenzt wird. Von Wind und Strömung bewegt, scheinen sie im Wasser zu tanzen.
Der Wind hat um 180 Grad gedreht und frischt langsam auf. Jetzt kommt er aus Südost – und genau da wollen wir hin.
Wir durchqueren den See Kermajärvi entlang seiner östlichen Schären, eine waldreiche Landschaft voller Birken, Kiefern, flachen Felsen und ausgedehnten Schilfgürteln. Die vielen kleinen Inseln benutzen Seemöwen als Nistplatz und während das Weibchen im Nest auf 3 Eiern brütet, fliegt das Männchen wilde Angriffe auf alles, was dem Brutort zu nahe kommt. Zum Glück macht das aggressive Geschrei früh auf diese Stellen aufmerksam.
Für unsere Mittagspause finden wir einen der im Naturschutzgebiet ausgewiesenen Rastplätze. Diese Plätze sind alle mit einer Feuerstelle, reichlichem Holzvorrat und einem beeindruckenden Toilettenhäuschen (Huussi) ausgestattet: drei Stufen führen hoch zum „Thron“ und was dort abfällt wird mit Kompostbeschleuniger bestreut und später weiter verwertet. Die Plätze verfügen über zwei bis 10 mehr oder weniger ebene Plätze für Zelte, manche haben sogar einen überdachten Notbiwak. Dieser Rastplatz liegt wunderbar offen, das 20 Grad warme Wasser lädt zum Baden ein und sonnen kann man sich auf den flachen Granitfelsen – ein Paradies.
Doch wir wollen noch weiter Richtung Nationalpark. Erst quert ein dicker Tanker unsere Route, danach sehen wir ein Pärchen Seeadler mit seinem Horst im First einer hohen Kiefer. Unter diesen Umständen verkneifen wir uns die angepeilte Pause auf dieser Insel, begnügen uns mit einem Müsliriegel und paddeln weiter.
Zwei Stunden später haben wir den Rastplatz auf der Insel Martinsaari erreicht und entfachen schnell ein Feuer, um uns die Mücken vom Leib zu halten. Heute gibt es ein Reisgericht, zum Kaffee einen Zitronenkuchen und zum Dessert ein „Lapin Kulta“, das wohl bekannteste finnische Bier. Leichte Bewölkung zieht auf, aber es bleibt trocken.

 

4. Tag: Mit Blitz und Donner in den Kolovesi-Nationalpark.
Die zwei Kilometer bis zur Schleuse Kerman sind windgeschützt ein Kinderspiel. Der See fällt an dieser Engstelle über 3 getrennte Stromschnellen. Die breiteste, der „Kermankoski“, liegt einige hundert Meter entfernt und wir entdecken sie erst, als wir die Schleuse Kerman schon hinter uns haben. An dieser Schleuse herrscht Selbstbedienung: einfach die blaue Schnur ziehen, dann wird die Schleusenkammer gefüllt und die Tore gehen auf. Zeitgesteuert werden die Tore geschlossen und das Wasser abgelassen. Um in der leichten Strömung nicht abzutreiben, hält man sich an den Seilen an der Schleusenmauer fest.
Wir folgen dem Schiffahrtsweg zur Schleuse „Väaränkosken kanava“. Die schwülwarme Atmosphäre produziert dicke Wolken und erstes Grummeln in der Ferne. Einige fahren den parallelen Koski (WW 1 – 2), andere überwinden die 2 Höhenmeter in der Kammer. Ein ungutes Gefühl, in diesem Metallkäfig bei schnell nahenden Blitzen und gewaltigem Donnergrollen eingesperrt zu sein. Kaum ist das Wasser abgelaufen, drängen wir hinaus und suchen eine Anlandemöglichkeit. Schon prasselt ein heftiger Regenguss nieder, der immerhin eine schöne Abkühlung bringt.
Die nächste Zugschnur birgt keine Schleuse, sondern eine enge Einbahnwasserstrasse , die durch eine Signalanlage wechselnd in beide Richtungen genutzt werden kann. Und schon grummelt es wieder in der Ferne. Diesmal haben wir Glück: Das Cafe „Wirran Wietävä“ ist eine kleine Ferienanlage und taucht genau zum richtigen Zeitpunkt auf. Im umgebauten Wohnzimmer der Wirtin gibt es Kaffee satt und dazu selbstgebackene Zimtschnecken (Pulla). Da zieht man doch gerne die nassen Schuhe aus, um den Dielenboden und die Läufer zu schonen. Als der Regen vorbei scheint verlassen wir den heimeligen Ort, doch kaum haben wir eingebootet, erwischt uns das nächste Gewitter mit dem nächsten Guss.
Mit der Schleuse von Pilppa erreichen wir den Kolovesi-Nationalpark. Er wurde 1990 zum Schutz der Insellandschaft, der alten Wälder und des Lebensraums der Saimaa-Ringelrobbe gegründet. Die majestätische Landschaft wurde vom Inlandeis geformt. Die sogenannten Teufelsfelder, schwer zugängliche Geröllfelder an den Ufern des kristallklaren Wassers (aber auch auf den Inseln) zeugen heute noch von der Vergletscherung. Hier darf man nur auf den offiziellen Rastplätzen übernachten, weshalb die Übernachtungsmöglichkeiten für größere Gruppen rar sind. Viele Inseln dürfen aus Naturschutzgründen nicht betreten werden.

Auch bei Pilppa kann man die Koskistrecke mit den vollbeladenen Seekajaks gut fahren. Nun verlassen wir die wenig befahrene Schiffahrtslinie, die am Rande des Nationalparkes verläuft, und paddeln im sanften Abendlicht südwärts an der nördlichen Hauptinsel des Nationalparks „Mäntysalo“ entlang. Einsame endlose Wälder liegen hinter Ufern, die von großen Granitbrockenhaufen oder hellem Schilf gesäumt werden. Der Regen hat allen Staub ausgespült und das warme Licht  taucht alles in klare, kräftige Farben.
Kurz vor dem nächsten Gewitter erreichen wir den Rastplatz Lapinniemi. Das Gelände ist recht uneben. Zwei Holzpaletten bieten waagrechten Platz, zwei weitere Zelte müssen sich zwischen Steine und Wurzeln drängen. Wir überdachen die Feuerstelle, so dass wir vorm Regenguss geschützt kochen und essen können.