Berichte
 

„Eisfahrt“ auf dem Bodensee

 

Es ist der 20.11.2005.
Es ist Totensonntag.
Es ist 05:30 als mein Wecker klingelt.
Draußen herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Wie verrückt muss man eigentlich sein, um bei diesem Wetter freiwillig sein warmes Bett zu verlassen. Um 06:00 binde ich das Boot aufs Auto und wieder geht mir dieser Gedanke durch den Kopf: wie verrückt ...
Aber egal. Ich habe zugesagt, die anderen brauchen mich zum Umsetzen, jetzt gibt es kein Zurück.
Auf der Fähre nach Konstanz treffe ich Birgit und Herbert. Leider ist es auf dem Wasser zu windig und zu kalt um ein längeres Schwätzchen zu halten – ich überlege mir, wie das wohl nachher im Kajak wird. In Konstanz sehe ich die ersten Autos mit Booten auf dem Dach - aha noch mehr Verrückte ...


Am Bootshaus in Konstanz angekommen laden wir erst mal unsere Ausrüstung ab und begrüßen die anderen. Danach ist Auto Umsetzen angesagt. "Wir müssen jetzt um diesen Wurmfortsatz rumfahren. Keine Angst, die Strecke mit dem Boot nachher ist nicht halb so lang wie die mit dem Auto" höre ich Birgit sagen. Mit dem Wurmfortsatz meint Birgit jenen Teil des Untersees, den wir durchqueren wollen. Ich versuche mir Mut zu machen. Immerhin ist mein Kollege im Sommer die Strecke geschwommen, da werde ich das wohl im Winter locker mit dem Kajak schaffen.
Kaum dass wir wieder in Konstanz zurück sind und uns in unsere Paddelklamotten gezwängt haben gehen auch schon die Formalitäten los: Eintragen in die Starterliste, damit die Veranstalter hinterher auch prüfen können, ob alle Paddler in Iznang angekommen sind.
Das beruhigt mich, genauso wie die Bemerkung, dass die Wasserschutzpolizei und die DLRG uns begleiten.
Am Einstieg stehen jetzt allerhand Boote herum. Noch nie habe ich so viele Kanus auf einem Haufen gesehen. Vom normalen Seekajak über Wildwasserkajaks und Kanadier bis zum Drachenboot. Alles ist vertreten. Lauter Verrückte. Immer wieder paddelt jemand los. Ich knipse noch 2 Fotos und packe meine Kamera weg, dann machen auch wir drei uns auf.


Vor uns paddeln zwei Herren, die sich über die Vor- und Nachteile moderner Navigationstechniken unterhalten. Ich denke mir, hoffentlich brauchen wir weder Herberts Kompass noch das GPS des anderen Sportkameraden.
Als wir Konstanz hinter uns lassen stoße ich mit meinem Paddel auf Grund. Hier im Wolmatinger Ried beträgt die Wassertiefe nur noch 15 - 20cm. „Oha“, denke ich mir, „hier kommt garantiert weder WaPo noch DLRG hin“. Musste aber auch nicht!
So langsam finde ich meinen Rhythmus und komme recht gut voran. Da ich bisher ausschließlich auf bewegtem Wasser gepaddelt bin ist das hier eine völlig neue Erfahrung für mich, spiegelglatt liegt der See da. Stille, hin und wieder ein Haubentaucher, Schwäne. Vor uns ziehen die anderen Paddler wie an einer Perlenschnur aufgereiht nach Westen bis sie im Nebel verschwinden - direkt besinnlich. Nach ca. einer Stunde erreichen wir die Insel Reichenau.
Kaum, dass ich die Spritzdecke aufmache und aus dem Boot aussteige weiß ich, dass diese Pause nicht lange dauert. Es ist kalt. Also beeile ich mich mit meinem Wecken, trinke noch schnell etwas von dem Tee und dann nichts wie weiter. Nach nur 5 Minuten ist es wieder muckelig warm in meinem Boot.
Weiter geht’s von der Reichenau quer über den Untersee nach Iznang. Wir paddeln eine weitere Stunde, freuen uns an der herrlichen Landschaft, reden, schweigen, genießen. Und eh wir uns versehen sind wir schon da!

 

Wie im letzten Jahr nahmen etwa 90 Boote an der Veranstaltung teil, doch die Zahl der Sportler ist von 110 auf 159 angewachsen. "Das ist kein verwunderliches Phänomen, sondern kommt daher, dass dieses Jahr wesentlich mehr Mannschaftsboote (Kanadier mit 8 Sitzen) gemeldet waren. So wie überhaupt in dieser Sportart der Trend wieder zu mehrsitzigen Booten geht," erklärt mir Manfred Schweizer, Präsident des Bodensee Kanu Rings.
Um 18:00 bin ich wieder zu Hause und um einige Erfahrungen reicher.
Es war ein schöner Tag, der Totensonntag 2006 ist bereits vorgemerkt !
Jürgen Moll
                                                                                     Fotos: Birgit Kellner-Schick