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Wasser satt

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Ein Bericht vom Paddelcamp der Wildwasserkanuten in Slowenien im Juni 2004

Es sieht aus, als hätte England gerade gegen Kroatien verloren und die Hooligans den Campingplatz aufgemischt. Aber erstens hat Beckham keinen Elfmeter geschossen und England deshalb gewonnen und zweitens gibt es gar keine Engländer hier auf dem Paddlercamp an der Koritnica-Mündung. Also hat wohl der Gewittersturm das Chaos verursacht. Wir kleben das zerrissene Tarp, stützen das beinamputierte Vorzelt, suchen erfolglos nach diversen Kleinteilen und legen die vorgeweichten Spaghetti vorläufig zum Trocknen. Wasser im Bach werden wir also haben. Dumm nur, dass wir zuvor schon genug hatten; mehr als genug eigentlich. Herrlich türkisgrün sind die Flüsse der julischen Alpen im Nordwesten Sloweniens - manchmal jedenfalls. Gestern schwappte das braune Band unter der Brücke bei Pegel 160cm (die Hochwassermarke liegt bei 150cm), und der heutige Tag dürfte nicht gerade dazu geeignet gewesen zu sein, dieses zu normalisieren. Wenn 6 Kanuten freiwillig ein Museum besuchen, läßt das gewisse Rückschlüsse zu.

Die aus Karstquellen gespeiste Soca ist weit weniger anfällig für die gewaltigen Niederschläge, und so bietet der folgende regenfreie Tag - zumindest unseren Spitzenpaddlern - herrliches Wildwasser im oberen Schwierigkeitsbereich. Ich übernehme die Aufgabe, das Ganze mit der Kamera aufzunehmen - groß ist das Opfer, ehrlich gesagt, nicht. Gleich unter der Brücke bei Podklanec beginnen die Schwierigkeiten schon. Große Felsbrocken liegen - wie von einem Riesen wahllos ins Wasser geworfen - in der oberhalb noch türkis-klaren Strömung. Jetzt allerdings ist das Wasser nur noch weiß, und die winzigen Boote (warum nur werden die 330cm "Dickschiffe", die wir Alten früher wegen ihrer großen Sicherheitsreserven so schätzten, nicht mehr hergestellt?) hüpfen durch die Gischt. Aber auch wenn Boot und Paddler bisweilen total von den Wellen und Walzen verschluckt werden, muss ich neidvoll erkennen, dass alles kontrolliert gefahren wird. Selbst für kleine Spielereien, wie eine Kerze im gurgelnden Kehrwasser haben sie den Nerv.

Nach dem Blockkatarakt gönnt sich die Soca ein paar hundert Meter zum Verschnaufen. Danach folgt eine der eindrucksvollsten Klammen, die wir Paddler kennen. Unvermittelt verengt sich das Flußbett auf 4 Meter Breite und das Wasser schießt bobbahnartig zwischen glatten, steil aufragenden Felsen durch. Heimtückischerweise findet sich nach zwei Dritteln der Strecke eine S-Kurve - nicht nur psychologisch die Schlüsselstelle. Schwimmend da hindurch ist definitiv ungesund! Nach ausgiebiger Besichtigung der besten Route - aber welche Alternativen ergeben sich schon bei einem schmalen Felskanal - wagt sich Thomas in die Schlucht. Ich sitze auf der schaukelnden Hängebrücke, die kameratechnisch ideal die Klamm überspannnt aber auf der bereits einige Bretter fehlen. Eingreifen kann ich bei Schwierigkeiten von hier oben nicht, nur dokumentieren. Aber Thomas meistert das Stück souverän; kontrolliert die Kehrwasser und Prallpolster ausnutzend tanzt er zwischen den Felswänden und verleiht nach gemeistertem Schwierigkeiten seiner Freude (oder Erleichterung?) Ausdruck durch Etwas, das ich als norddeutsches Plagiat eines Jodlers interpretiere. Gleich danach stürzt sich Jochen in die Strömung; deutlich tiefer liegt sein viel kleineres Boot im Wasser. In der Schlüsselstelle wird der Druck auf das Heck gewaltig und der Bug hebt sich steil gen Himmel. Nach einer beeindruckenden - wenn auch ungewollten - Kerze überschlägt sich das Boot nach hinten. Jetzt bloß nicht aussteigen ...

Aber ob Jochen ausgestiegen ist, ob wir noch andere Abschnitte der Soca befahren haben und ob die Spaghetti noch essbar waren, wird heute nicht verraten. Wen es interessiert, der sollte sich aber den traditionellen Filmabend der Kanuabteilung vormerken (15.01.2005)! Details gibt es im nächsten TG-Report und der Eintritt ist natürlich frei.
Aber Vorsicht: Das Paddelvirus ist sehr ansteckend!

H.-J. Compter