| Berichte | Die
wahre Geschichte: |
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Wir nehmen den Alten immer mit aufs Wasser. Jeden ersten Sonntag im Dezember. Jedes Jahr steht er da und wartet auf uns Paddler von der TG Biberach. Beim ersten Mal war es schierer Zufall. Vermutlich wollte er damals nur seine Rentiere füttern im Tal der Argen. Aber dann war er ganz wild darauf, uns zu begleiten durch die Stufen und Stromschnellen. Wer es nicht glaubt, kann’s nachlesen im TG-Report 1/2002.
Seither jedenfalls steht er immer schon da, wenn wir (spät) morgens aufkreuzen am Zusammenfluß der oberen und unteren Argen bei Pflegelberg. Stets ist er gehüllt in seinen langen roten Mantel und sein schneeweißer Bart scheint jedes Jahr noch ein Stück länger geworden zu sein. Seine Augen strahlen und seine (alkoholbe-dingt?) rote Nase leuchtet. Nie sagt er mehr als „Ho, ho, ho!“, aber wir entnehmen dieser Äußerung und seiner Gestik unbändige Freude über unser Wiedersehen. Und auch wir freuen uns immer auf den kauzigen Alten; ihm zu Ehren haben wir sogar unsere „Jahresabschlusstour“ in „Nikolausfahrt“ umbenannt.
Vorsichtig den Saum seines langen Mantels anhebend steigt er ins Boot. Wie immer will er hinten sitzen und das Boot steuern und wie immer setzt er sich auf das Brett, statt im Boot zu knien. Letzteres ist viel sicherer, denn damit ist der Schwerpunkt tiefer und das Boot weniger kippelig. Aber man kniet im kalten Wasser; vermutlich unangenehm für seine Kniegelenksarthrosen. Rasch merken wir, dass es heute kritisch werden kann. Unsicher sind seine Aktionen, unklar seine Anweisungen. Und so kommt es, wie es kommen muss: Ohne seine Brille (Brillen ohne Sportband sehen wir nämlich nicht gerne auf dem Wildwasser) erkennt der Alte den großen Stein im Hauptstromzug nicht rechtzeitig. Als er schließlich reagiert, ist es für ein Ausweichen zu spät. Breitseits prallt der Schlauchkanadier gegen den Felsen und wird in Sekundenbruchteilen umgestülpt. Prustend versinkt die Besatzung in den eiskalten Wellen. Aber während sich seine Begleiter rasch ins Boot oder ans Ufer retten können, wird der Nikolaus immer weiter abgetrieben. Sein roter Mantel und sein Rup-fensack haben sich vollgesogen, die Gummistiefel ziehen blei-schwer an seinen Füßen. Nur seine rote Mütze behindert ihn nicht – die treibt alleine durch die Stromschnelle.
Mühsam gelingt es uns, den Alten ans Ufer zu ziehen. Die ehemals rote Nase ist blau wie seine Lippen. Schlotternd und triefend steht er da, ohne Mütze und ohne trockene Wechselwäsche. Wir können ihm auch keine Kleidungsstücke borgen – niemand von uns trägt rote Mäntel, Größe XXL. So war das also, am 8. Dezember des Jahres 2003. Wir haben ihn seither nicht mehr gesehen. Aber Rudolph, sein Lieblingsrentier, ist mit dem Reitpferd meiner Frau eng befreundet. Und es hat ihm erzählt, dass sein Chef ganz furchtbar erkältet gewesen sei seit Mitte Dezember. Und deshalb konnten sie dieses Jahr keine Geschenke verteilen im Allgäu. Von Herzen gute
Besserung, lieber Allgäuer Nikolaus. Aber im Innersten sind wir
doch froh, dass nicht du, sondern dein oberschwäbischer Kollege
für unsere Kinder zuständig ist. Text und Fotos Compter
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